Ordnungsnetze

Wenn Kinder Sammlungen anlegen, dann erschließt sich das Prinzip, nach dem gesammelt wurde, Erwachsenen manchmal nicht auf den ersten Blick. Das kann daran liegen, dass Erwachsene Dinge in der Regel nach ihrer Funktion sortieren, während für Kinder ein Sortieren nach Farbe und Größe sinnvoll und bei der Auswahl die persönliche Bedeutung der Gegenstände leitend sein kann (Nießeler, 2020, 62). Es können sich dann die Ordnungsnetze, anhand derer Dinge gesammelt und geordnet werden, unterscheiden. 

Wenn Frauen in einigen Kulturen in Kenia, im Sudan oder in Tansania eine Ehe mit einem Mann eingehen und daneben noch eine zweite Ehe mit einer Frau, in der sie selbst die Rolle des Ehemannes einnehmen (Schröter, 2002, 115 ff.), dann unterscheidet sich dies von den Familienkonstellationen, die in Mitteleuropa als möglich betrachtet werden. Ob ein Bus dann abfährt, wenn genügend Fahrgäste vorhanden sind, oder dann, wenn er laut Fahrplan fahren soll, führt wie Zeitforscher:innen  (Levine, 1999; Wyller, 2016) belegen, nicht nur zu unterschiedlichen Formen, den Alltag zu organisieren, sondern zu ganzen anderen Formen des Daseins in der Welt, die sich anhand der unterschiedlichen Ordnungsnetze beschreiben lassen.

In der Conceptual-Change-Forschung hat es sich gezeigt, dass Begriffswechsel von Lernenden manchmal deshalb nicht vollzogen werden, weil ontologische Überzeugungen dem entgegenstehen (Amin et al., 2014, 61 f.; Chi, 1992). Erklärungen dafür, warum etwas passiert, sind demnach eingebettet in Grundüberzeugungen davon, aus welcher Art von Dingen die Welt aufgebaut ist. Wenn Kräfte beispielsweise als Eigenschaften von Objekten oder als Substanzen betrachtet werden, die ein Körper besitzt und auf andere Körper übertragen kann, dann werden Kräfte ontologisch als etwas völlig anderes betrachtet als es in der Physik üblich ist, wenn sie als Wechselwirkung zwischen Objekten betrachtet werden.

Literatur

Amin, T. G., Smith, C. L., & Wiser, M. (2014). Student conceptions and conceptual change: Three overlapping phases of research. In Handbook of Research on Science Education, Volume II (2. Aufl., 57–81). Routledge.

Chi, M. T. H. (1992). Conceptual change within and across ontological categories: Examples from learning and discovery in science. In R. Giere (Hrsg.), Cognitive models of science: Minnesota Studies in the Philosophy of Science (129–186). University of Minnesota Press.

Levine, R. (1999). Eine Landkarte der Zeit. Wie Kulturen mit Zeit umgehen. Piper.

Nießeler, A. (2020). Kulturen des Sachunterrichts. Theoretische Grundlagen und Perspektiven der Didaktik. Schneider Verlag Hohengehren.

Schröter, S. (2002). FeMale. Über Grenzverläufe zwischen den Geschlechtern. Fischer.

Wyller, T. (2016). Was ist Zeit? Reclam.